Hauptberuf Biograf

Freitag, 2. November 2007

Illustrierte Biografie

Bilder sagen mehr als tausend Worte. Sie finden, dass dies ein seltsamer Spruch für einen Biografen ist? Weit gefehlt. Erinnern Sie sich noch an meinen Beitrag zum "Doppelten Senftenberg" vor ein paar Tagen? Wie bedrohlich die Situation für meinen Erzähler war, wie knapp er tatsächlich einem Einsatz im Endkampf um Berlin entronnen ist, zeigt eine Illustration, die ich extra für das Buch von meiner Grafikern anfertigen ließ.

Heilgendorff-Marsch-durch-Deutschland

Die Qualität eines Biografen und seiner Arbeit zeigt sich nicht nur im Text, sondern auch in der grafischen Umsetzung. Was für einen Gewaltmarsch quer durch Deutschland der gleiche Erzähler zurücklegte, wird heutigen Lesern wohl auch erst anhand dieser Karte verständlich.

Heilgendorff-Situation-Berlin

Sollten Sie Ihre Biografie schreiben lassen wollen, fragen Sie vorher nach Möglichkeiten, das Buch zu illustrieren. Lassen Sie sich einige Bücher des Biografen / der Biografin Ihrer Wahl zeigen. Wenn es nur 08/15-Produktionen sind, gibt es vielleicht noch einen besseren Biografen für Ihre Lebensgeschichte.

Donnerstag, 25. Oktober 2007

Die Biografieprofis

Morgen fahre ich, so die Lokführer mich lassen, nach Frankfurt zum Mitgliedertreffen der Deutschen biografischen Gesellschaft (DbG). Die DbG ist der Berufsverband der professionellen Biografinnen und Biografen in Deutschland. Nur wer tatsächliche Berufserfahrung als Biograf nachweisen kann, wird aufgenommen. Das unterscheidet die DbG von anderen Vereinigungen. Bis Sonntag werden wir uns mit vielen „berufspolitischen“ Themen beschäftigen, vor allem aber mit der Frage der Qualitätssteigerung und Qualitätssicherung unserer Arbeit.
Mindestens so wichtig finde wie das Tagungsprogramm selbst finde ich die lockeren Gespräche am Abend. Anschließend fühlt man sich als Biograf nicht mehr so alleine in der weiten Welt, sondern weiß, dass Andere genau die gleichen Probleme haben. Schön!!

Montag, 22. Oktober 2007

Das doppelte Senftenberg

Gerade habe ich den korrigierten Andruck einer sehr interessanten Biografie zur Post gebracht. Darin berichtet der Erzähler von seiner verlorenen Jugend im Nationalsozialismus. Vor allem erzählt er sehr reflektiert von seinen schrecklichen Erlebnissen als Soldat. Bei aller Tragik gibt es in diesem Buch auch Episoden, die an den „braven Soldaten Schwejk“ erinnern. Im April 1945, also wenige Wochen vor Ende des Krieges, bekam der Trupp meines Erzählers einen Marschbefehl von Stralsund nach Senftenberg. Er kannte diesen Ort in der Lausitz, denn er war in der Nähe geboren und aufgewachsen. Nach einigen Tagen stellte sich heraus, dass ihr Leutnant sie in eine ganze andere Richtung führte. Er war Österreicher und gab den niederösterreichischen Kurort Senftenberg als Ziel aus. Unterwegs auf diesem langen Weg wurde ihr Marschbefehl mehrfach kontrolliert. Natürlich waren alle skeptisch. Nie und nimmer konnte Senftenberg in Niederösterreich gemeint sein. Der Leutnant vertrat aber jedes Mal selbstbewusst seinen Standpunkt und ließ sich nicht beirren. So führte er seine Leute mehrere hundert Kilometer nach Süden und in Sicherheit. Wahrscheinlich rettete er damit vielen das Leben, denn in der Gegend des anderen Senftenberg starben tausende Soldaten beim „Endkampf“ um Berlin.

Samstag, 20. Oktober 2007

Suchkind 312: Schmonzette statt Aufklärung

Gestern bin ich der Anregung des Kollegen Ronald gefolgt und habe mir die Schmonzette Suchkind 312 und die nachfolgende Dokumentation über Vermisste des 2. Weltkrieges in der ARD angesehen. Schließlich stehen Erinnerungen an die Kriegs- und Nachkriegszeit im Mittelpunkt der meisten Biografien, die ich verfasse.
Über den Fernsehfilm braucht man kein Wort zu verlieren. Wenn der Begriff „holzschnittartig“ jemals zur Charakterisierung von Filmfiguren gepasst hat, dann hier. Ich musste ständig an Fassbinder denken, der in der „Ehe der Maria Braun“ ein ähnliches Thema virtuos aufgearbeitet hat. Selbst die Kulissen und Requisiten wirkten bei ihm nicht so museal und realitätsfern herausgeputzt wie in diesem Filmchen. Und was für eine großartige Schauspielerin war ist Hanna Schygulla im Vergleich zu Christine Neubauer.
Interessanter war die nachfolgende Dokumentation, die mich in meine Kindheit zurückversetzte. Der Bruder meiner Oma war als vermisst gemeldet. Irgendwo in Russland hatte sich seine Spur verloren. Oma hatte eine Suchanzeige beim Roten Kreuz aufgegeben und es kamen immer mal wieder „Fehlanzeigen“ oder Fragebögen. Erst Mitte der sechziger Jahre erhielt sie die Nachricht, dass ihr Bruder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gefallen war. Für Oma war es eine Erleichterung, weil sie endlich Gewissheit hatte. Bis dahin hatte sie in einer irrealen Hoffnung gelebt, ihr geliebter Willi würde eines Tages vor der Tür stehen.
Ich erinnere mich genau an den Brief mit der Todesnachricht. Er hat mich sehr beeindruckt. Selbst zwanzig Jahre nach Kriegsende spürte ich als Acht- oder Neunjähriger hautnah, wie Krieg mit Leid und Tod in das Leben der Menschen eingreift. Eine wichtige Erfahrung. Bis heute.

Freitag, 19. Oktober 2007

Das Selma-Projekt

Im Moment führen wir in Deutschland eine höchst eigenartige Debatte darüber, ob es im Nazideutschland nicht doch irgendetwas Gutes, Positives gab. Dieser Auseinandersetzung fehlt oft jegliche Qualität, genau wie den Gedanken von Eva H., die aktuell den Anstoß dazu gab. Da kommen Spurensicherungen anderer Art gerade zur rechten Zeit. Eine besonders beeindruckende ist das „Selma-Projekt“.

Selma Meerbaum-Eisinger wurde nur 18 Jahre alt, ehe sie im Dezember 1942 im deutschen Arbeitslager Michailowska starb. Auf abenteuerliche Weise wurden 57 Gedichte der jungen Frau gerettet. Allein die Publikationsgeschichte der Gedichte ist es wert, nachgelesen zu werden. In der jüngsten Zeit waren die Gedichte fast völlig vergessen, bis der Musiker David Klein die Idee hatte, sie mit bekannten Interpreten (u. a. Inga Humpe, Hartmut Engler, Thomas D., Ute Lemper und Xavier Naidoo) zu vertonen. Das Ergebnis ist absolut hörenswert und die CD "Selma - In Sehnsucht eingehüllt" sei jedem empfohlen. Mich beeindruckt vor allem Kleins Motivation dieses Projekt zu starten: „Dass die hoch begabte, lebenshungrige Selma einfach umgebracht und irgendwo verscharrt wurde und nur ganz wenige erfahren, daß sie gelebt, geliebt, gelacht und Gedichte von berückender Schönheit geschrieben hat, konnte und wollte ich nicht akzeptieren.“
Auf welche Schwierigkeiten ein solches Projekt im heutigen Musikbusiness stößt, erläutert Klein in einem Interview, dass am 23.10. auf Bernd Röthlingshöfers Blog zu lesen sein wird. Weitere Stationen von Selmas Blogtour kann man hier nachlesen.

Mittwoch, 17. Oktober 2007

Einestages beim Spiegel

Heute habe ich mir die Zeit genommen, das neue Zeitgeschichtsportal des Spiegel genauer anzusehen. Ganz im Stile des Web 2.0 sollen hier Jedermann und Jederfrau ihre Sicht auf zeitgeschichtliche Ereignisse veröffentlichen können. Prima Idee! Ob das Ganze funktioniert, wird davon abhängen, wie viele Menschen bereit sind, ihre ganz persönlichen Erinnerungen einzureichen. Derzeit finden sich hauptsächlich Berichte von Profis (Journalisten, Historiker usw.), deren Texte und Dokumente allerdings das Potential dieser Idee andeuten. Etwa wenn der Fotograf Reinhard Krause seine Fotos vom Ruhrpottalltag der achtziger Jahre veröffentlicht. Auch Smudo von den Fantastischen Vier kann man kaum als Jedermann bezeichnen, so interessant seine Erinnerungen an die Anfangszeit des deutschsprachigen Hip-Hop auch sein mögen.
Für uns Biografen könnte "Einestages" im Laufe der Zeit durchaus zu einem Hilfsmittel bei unserer Arbeit werden. In diesem Zusammenhang finde ich besonders das „Fundbüro“ interessant, schließlich passiert es einem oft, dass man Personen oder Lokalitäten auf Fotos nicht mehr kennt. Vielleicht können einem dann ja die Leser von Einestages helfen. Auch dafür allerdings wird eine möglichst große Zahl von Nutzern benöltigt. Warten wir es also einfach mal ab.

Montag, 15. Oktober 2007

Sponsor gesucht

Heute waren es mehr als sonst! Drei Menschen riefen mich im Laufe des Tages an. Sie hätten eine traurige/spannende/einmalige Geschichte zu erzählen. Viele andere hätten ihnen schon geraten, doch endlich einmal ein Buch zu schreiben. Dabei könnte ich ihnen doch sicher helfen.
Natürlich kann ich das, schließlich ist es mein Beruf, Lebensgeschichten aufzuschreiben.
Meistens höre ich aber schnell heraus, dass es den Anrufern um eine Verlagsveröffentlichung geht. Ein bisschen haben sie alle im Kopf, mit ihrer sicherlich beeindruckenden Geschichte Geld zu verdienen. Die meisten dürften auch recht überzogene Vorstellungen davon haben, wie viel ein Autor an seinem Buch verdient, wenn er nicht gerade Dieter Bohlen und sie nicht gerade Eva Herman heißt. Die Enttäuschung ist oft fast durch den Telefonhörer greifbar, wenn ich ihnen antworte, dass sie nur geringe Chancen haben werden, einen Verlag für ihre Biografie zu begeistern. Verlage wollen (und müssen) in erster Linie Geld verdienen. Die Lebensgeschichte eines Unbekannten ist dafür denkbar ungeeignet. Und auch ich kann nicht auf Basis einer ungewissen, meistens sogar unerreichbaren Verlagsprovision arbeiten.
So bleiben viele spannende und einmalige (Lebens-)Geschichten unerzählt. Leider! Es wären Sponsoren nötig, die das Bewahren wenigstens einiger dieser Lebensgeschichten ermöglichen würden. Sollten Sie sich angesprochen fühlen, melden Sie sich!

Mittwoch, 10. Oktober 2007

Sternstunde bei Kerner

Gestern im Hotelzimmer durchs TV-Programm gezappt. Sitzt bei Kerner Eva Herman. Ich konnte gerade noch den Impuls unterdrücken, sofort umzuschalten. So wurde ich Zeuge, wie eine hinreissende Senta Berger den Moderator zu einer Sternstunde des Fernsehens bewegte. Er warf die unerträgliche Blondine aus der Sendung. Leider erst, nachdem sie ihre wirre Theorie erneut breit treten durfte. Unter anderem schwafelte sie davon, dass Jungs, die alleine von ihren Müttern erzogen werden, später größte Schwierigkeiten im Leben bekommen.

Na ja, Frau Herman, da sollten Sie mal in ihrem nicht vorhandenen historischen Bewusstsein kramen. Stimmt Ihre Theorie, müsste fast eine ganze Generation von Männern schwer gestört sein. Ich arbeite gerade an zwei Biografien von Frauen, eine 80 Jahre, die andere 96 Jahre alt. Beide waren alleinerziehende Mütter, weil die ach so familienfreundlichen Nazis ihre Männer in den Krieg und damit in den Tod trieben.
Wenn Sie also wissen möchten, Frau Herman, wie die Familienidylle in Nazideutschland tatsächlich aussah, melden Sie sich. Ich hätte reichlich Material für Sie.

Dienstag, 9. Oktober 2007

The winner is ...

Vor kurzem schrieb ich über die Titelseitenentwürfe, die ich einem Auftraggeber zur Auswahl vorgelegt hatte. Heute hat sich der Erzähler gemeldet. Seine Wahl fiel einerseits auf das "frechste" Cover, das auch mein heimlicher Favorit war. Andererseits wünscht er sich eine andere Gestaltung der Rückseite und hat auch klare Vorstellung, wie sie aussehen soll.
Mancher Biograf mag jetzt vielleicht murren: So viel Arbeit nur wegen der Buchrückseite.
Ich sehe das anders. Mich freut es, wenn sich der Auftraggeber intensiv mit seinem Buch beschäftigt, klare Vorstellungen hat und sie auch äußert. Da ändere ich gerne noch etwas um.

Freitag, 5. Oktober 2007

In memoriam Walter Kempowski

Gerade hörte ich im Radio die traurige Nachricht vom Tode Walter Kempowskis. Er starb in der letzten Nacht in Rotenburg/Wümme im Alter von 78 Jahren.Walter-Kempowski
Seit Jahrzehnten gehört Kempowski zu den meistgelesenen deutschen Schriftstellern. Trotz (oder wegen?) dieser Beliebtheit wurde er von der sogenannten literarischen Öffentlichkeit kaum beachtet. Mir ist das völlig unverständlich, denn „Tadellöser & Wolff“ gehört zu meinen großen Leseerlebnissen. Die gesamte Trilogie (neben Tadellöser & Wolff noch „Uns geht’s ja noch Gold“ und „Ein Kapitel für sich“) wurde kongenial von Eberhard Fechner verfilmt. Wollen wir hoffen, dass unsere Fernsehanstalten zum Tode des Schriftstellers diese deutsche Familiensaga ins Programm heben.

Aber Kempowski war nicht nur Schriftsteller, er war vor allem auch unermüdlicher Sammler und Archivar. Stets war ihm der Wert persönlicher Erinnerungen für ein tiefer gehendes Verständnis von Geschichte bewusst. 1980 gründete er das „Kempowski Archiv für europäische Tagebucher“. Gesammelt werden in erster Linie Tagebücher, Briefe und Lebenserinnerungen, aber auch andere Dokumente, die zu einem Lebenslauf gehören (Schulhefte, Zeugnisse, Urkunden, Testamente) oder die Informationen geben über Alltagsgeschichte (z. B. Warenhaus- und Spielzeugkataloge oder Stadt- und Firmengeschichten.) Der Bestand umfasst über 7000 Positionen. Das separat geführte Fotoarchiv sammelt Alltagsfotografien und enthält zurzeit etwa 300.000 Aufnahmen. Im Frühjahr 2006 wurde der gesamte Bestand dem Archiv der Akademie der Künste in Berlin übergeben, wo es eigenständig weiter geführt wird. Eine später Würdigung eines großen Werkes, das mit dem „Echolot“-Projekt endlich auch die Beachtung fand, die ihm gebührt. Das Echolot ist eine Quellensammlung des Zweiten Weltkriegs. Feldpostbriefe russischer und deutscher Soldaten stehen unkommentiert nebeneinander. Notizen von Kriegsgefangenen wechseln sich ab mit Hitlers Reden und der Korrespondenz von Thomas Mann. Eindringlicher als Kempowski es hier tut, kann man Geschichte nicht schildern.

Ach ja: allen, denen Kempowskis Werk zu wenig „literarisch“ - und das heißt in Deutschland ja zumeist zu unernst - war, hier eine Würdigung von Benjamin von Stuckrad-Barre:
"In drei- bis vierhundert Jahren wird kein Mensch mehr hoffentlich und ziemlich sicher Günter Grass lesen, aber wenn jemand etwas über das letzte Jahrhundert und die Anfänge dieses Jahrhunderts erfahren will, dann wird er Kempowski lesen, das wird dann Schullektüre sein, wenn es dann überhaupt noch Schulen gibt."

Schreib's auf!

Weblog des Biografen Matthias Brömmelhaus

Über mich

Ich arbeite als Biograf und Autor am Bodensee. Weitere Informationen finden Sie auf meiner Internetseite

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