Freitag, 5. Oktober 2007

In memoriam Walter Kempowski

Gerade hörte ich im Radio die traurige Nachricht vom Tode Walter Kempowskis. Er starb in der letzten Nacht in Rotenburg/Wümme im Alter von 78 Jahren.Walter-Kempowski
Seit Jahrzehnten gehört Kempowski zu den meistgelesenen deutschen Schriftstellern. Trotz (oder wegen?) dieser Beliebtheit wurde er von der sogenannten literarischen Öffentlichkeit kaum beachtet. Mir ist das völlig unverständlich, denn „Tadellöser & Wolff“ gehört zu meinen großen Leseerlebnissen. Die gesamte Trilogie (neben Tadellöser & Wolff noch „Uns geht’s ja noch Gold“ und „Ein Kapitel für sich“) wurde kongenial von Eberhard Fechner verfilmt. Wollen wir hoffen, dass unsere Fernsehanstalten zum Tode des Schriftstellers diese deutsche Familiensaga ins Programm heben.

Aber Kempowski war nicht nur Schriftsteller, er war vor allem auch unermüdlicher Sammler und Archivar. Stets war ihm der Wert persönlicher Erinnerungen für ein tiefer gehendes Verständnis von Geschichte bewusst. 1980 gründete er das „Kempowski Archiv für europäische Tagebucher“. Gesammelt werden in erster Linie Tagebücher, Briefe und Lebenserinnerungen, aber auch andere Dokumente, die zu einem Lebenslauf gehören (Schulhefte, Zeugnisse, Urkunden, Testamente) oder die Informationen geben über Alltagsgeschichte (z. B. Warenhaus- und Spielzeugkataloge oder Stadt- und Firmengeschichten.) Der Bestand umfasst über 7000 Positionen. Das separat geführte Fotoarchiv sammelt Alltagsfotografien und enthält zurzeit etwa 300.000 Aufnahmen. Im Frühjahr 2006 wurde der gesamte Bestand dem Archiv der Akademie der Künste in Berlin übergeben, wo es eigenständig weiter geführt wird. Eine später Würdigung eines großen Werkes, das mit dem „Echolot“-Projekt endlich auch die Beachtung fand, die ihm gebührt. Das Echolot ist eine Quellensammlung des Zweiten Weltkriegs. Feldpostbriefe russischer und deutscher Soldaten stehen unkommentiert nebeneinander. Notizen von Kriegsgefangenen wechseln sich ab mit Hitlers Reden und der Korrespondenz von Thomas Mann. Eindringlicher als Kempowski es hier tut, kann man Geschichte nicht schildern.

Ach ja: allen, denen Kempowskis Werk zu wenig „literarisch“ - und das heißt in Deutschland ja zumeist zu unernst - war, hier eine Würdigung von Benjamin von Stuckrad-Barre:
"In drei- bis vierhundert Jahren wird kein Mensch mehr hoffentlich und ziemlich sicher Günter Grass lesen, aber wenn jemand etwas über das letzte Jahrhundert und die Anfänge dieses Jahrhunderts erfahren will, dann wird er Kempowski lesen, das wird dann Schullektüre sein, wenn es dann überhaupt noch Schulen gibt."

Joschka schreibt selbst

Kollege Ronald hat gestern in seinem Blog auf die gerade erschienene Autobiografie von Joschka Fischer hingewiesen. Biografie-FischerIm Radio hörte ich anschließend Ausschnitte aus der Pressekonferenz. Der Ex-GrüneMinister war launig wie immer. Besonderen Wert legte Joschka darauf, alles selbst geschrieben zu haben. „Jede Zeile“ stamme von ihm. Nun denn! Hoffentlich hat er damit kein Selbsttor geschossen. Schließlich hätte man so mancher Promibiografie der vergangenen Jahre einen (besseren) Ghostwriter gewünscht!

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Ich arbeite als Biograf und Autor am Bodensee. Weitere Informationen finden Sie auf meiner Internetseite

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